Trilok Gurtu vereint die Welt und kombiniert auf „Mirror“ indische Musik mit westlichem Jazz, Funk sowie Einflüssen aus Afrika, Brasilien und dem Balkan
von Sebastian Meißner
Trilok Gurtu ist ein Türöffner, ein Wegbereiter, ein Weichensteller. Als erster Schlagzeuger fusionierte er den amerikanischen Jazz mit indischen Instrumentarium und Spielstil. Dafür erweiterte er das übliche Drumset mit Tablas in verschiedenen Größen, Glocken und Becken, die er mal sitzend, mal stehend mit den Händen bearbeitet. Sein Sound ist so unique und geistöffnend, dass die Größten des Jazz mit ihm zusammen Aufnahmen machten – darunter unter vielen anderen John McLaughlin, Pharoah Sanders, Jan Garbarek, Pat Metheny oder Archie Stepp. Was für westlich geprägte Ohren neu klang, hatte für Gurtu selbst immer eine offensichtliche Gemeinsamkeit: die Spontaneität. „Indische Musik ist improvisiert, nicht geschrieben. Du musst diese Fähigkeit haben zu improvisieren von einem ganz kleinem Motiv“, beschreibt Gurtu selbst, der sich nie als Jazzer verstand, sondern immer als modernen indischen Musiker.
Spiritueller Überbau
Für den 73-Jährigen ist Musik seit jeher etwas Spirituelles, Übermenschliches, Göttliches. Das ist auch auf „Mirror“ so, seinem inzwischen 22. Album, das er zusammen mit dem Arké String Quartet eingespielt hat. Den Titel der Platte hat Trilok Gurtu genau vor diesem Hintergrund gewählt und erklärt: „Mein spiritueller Meister Ranjit Maharaj hat mir einmal gesagt: ‚Du bist ein Spiegel Gottes. Vergiss das nicht. Für mich ist Gott mein Meister und er ist mein Spiegel.‘ Und so schien mir das ein perfekter Titel für das Album zu sein. Unsere Botschaft mit Mirror ist zu erkennen, dass wir alle eins sind. Das ist die Idee dahinter. Und es ist ein Weckruf für alle.“ Diese Idee vom großen Ganzen, in dem alles gleichberechtigt aufgeht, verfolgt er auch in seinen Kompositionen, in denen klassische indische Musik mit westlichem Jazz, Funk sowie Einflüssen aus Afrika, Brasilien und dem Balkan mischt. Heraus kommen tolle Fusion-Songs, die frisch und frei und unglaublich lebendig klingen.
Trilok Gurtu stellt sich dem Sturm
Schon der Opener „Peace Is Not Peaceful“ zeigt dies deutlich: Die Band spielt quirlig, die Streicher wirbeln wie Federbüsche einer Pusteblume im Küstenwind. Die stärksten der insgesamt zehn Stücke auf „Mirror“ sind aber die verhaltenen. „I Am Your Mirror“ zum Beispiel arbeitet mit weniger Flinten und Kurswechseln, ist eher ein repetitives Mantra und bezieht gerade daraus eine sogartige Wirkung. Auch „The Cathedral“ kommt mehr über Atmosphäre als über Virtuosität. Gurtus Spiel auf den Tablas steht hier ganz im Dienste des Songs und seiner Absichten und verzichtet auf Aufdringlichkeiten. Auch das zeigt seine ganze Klasse. Den krönenden Abschluss der Platte bildet „After The Storm“. Hier vertont Gurtu vom Sturm berührte Gegenstände. Musik, die von der Natur nicht zu unterscheiden ist. Weil sie eins mit ihr ist. Großartig!
„Mirror“ von Trilok Gurtu erscheint am 25.04.2025 bei Broken Silence. (Beitragsbild: Albumcover)